Hey Insta-Nachbarn. Freunde. Verwandte. Menschen.
Wir haben nie über Corona gesprochen.
Nicht wirklich.
Ein paar Einsichten hier, ein „War schon heftig, ne?“ dort.
Aber das Eigentliche blieb unausgesprochen.
So still, dass es fast verschwand.
Fast.
Doch jetzt, wo der Krieg langsam an unsere Tür klopft
– ganz offiziell und ganz real –
spüre ich wieder diese Spannung.
Sie kommt nicht nur vom Draußen.
Sie kommt aus dem Dazwischen.
Zwischen uns.
Merz ruft nach Waffen,
Russland zielt auf Berlin,
und wir sitzen dazwischen
und tun so, als sei alles ganz normal.
Alltag. Urlaube planen, Sommer steht halt vor der Tür. Willste keine schwere Kost. Nee, ich auch nicht.
Ach ja, lass mal wieder grillen, prost – auf das leichte Leben.
Also sorry, dass ich kurz störe.
Aber in mir flackert etwas auf,
das nicht vergessen kann.
Weil ich mich erinnere.
An das Wegsehen.
Das Einordnen, Trennen, Mitmachen.
Das Schweigen,
als Menschen ausgeschlossen, beschimpft, isoliert wurden.
Weil sie Fragen stellten.
Andere Ängste hatten.
Oder einfach nur atmen wollten.
Und ich frage mich – ganz ehrlich,
ohne Zynismus, ohne Pathos –
nur mit dieser einen Frage im Bauch:
Wie wärt ihr im Krieg?
Was, wenn ich sage:
„Ich halte meinen Kopf nicht hin.“
Nicht für Bomben. Nicht für Befehle.
Was, wenn ich wieder nicht mitmache?
Werdet ihr wieder Abstand halten – zu mir?
Wieder tuscheln, blocken, ausladen?
Werdet ihr wieder sagen:
„So jemand gefährdet uns alle“?
Werdet ihr eure Kinder schicken –
weil es eben so sein muss, „Pflicht und so“ –
und mich anklagen,
weil ich meine verstecke?
Werdet ihr euch wieder einfügen,
ganz pragmatisch,
ganz solidarisch,
ganz obrigkeitstreu?
Oder fragt ihr diesmal nach?
Denn was damals geschah –
war nicht nur Pandemie.
Es war Beziehung. Macht. Kontrolle.
Und viel zu wenig Mitgefühl.
Ich brauche keine Reue.
Ich brauche kein „Wir wussten es ja nicht besser“.
Ich brauche ein Gespräch.
Über das, was war.
Und darüber, wie wir in Zukunft miteinander umgehen,
wenn es wieder ernst wird.
Denn vergessen ist kein Frieden.
Und Schweigen heilt nicht.
Also frage ich –
nicht anklagend, sondern wach:
Wie wärt ihr im Krieg?
Und: Wie wollen wir beim nächsten Mal sein?
Text von: Kerstin Schreyer-Gemkow, inspiriert von Lauterdenken