Wie unser Denken gelenkt wird

Über Digitale Steuerung, Diskursnormierung und die Rückkehr zur eigenen Wahrnehmung

In unserer Zeit gibt es eine Vielzahl von Debatten, die die öffentliche Aufmerksamkeit binden – sei es über Klima, Identitätspolitik oder geopolitische Konflikte. Doch zwei grundlegende Strukturprinzipien bleiben oft unbesprochen: die zunehmende Steuerung durch Algorithmen und die Verschiebung von Machtverhältnissen zugunsten oligarchischer Strukturen.

Diese Entwicklungen haben tiefgreifende Auswirkungen auf unsere Art zu denken und zu kommunizieren. Diskurse werden zunehmend normiert, Vielfalt von Perspektiven geht verloren, und die Art und Weise, wie Informationen verarbeitet und präsentiert werden, unterliegt einer mathematischen Strukturierung. Das Internet als Medium selbst fördert dabei eine binäre Logik: 0 oder 1, Ja oder Nein, Freund oder Feind. Dies spiegelt sich nicht nur in technologischen Prozessen wider, sondern auch in unserer gesellschaftlichen Kommunikation.

Doch was bedeutet das für unser Denken?

Der Verlust der dritten Möglichkeit

Die europäische Geistesgeschichte und auch der Kashmirische Shivaismus lehren uns, dass Entwicklung oft aus einer Synthese entsteht – einem „Dritten“, das über das bloße Entweder-Oder hinausgeht. Hegel formulierte dies in der Dialektik von These, Antithese und Synthese. In spirituellen Traditionen finden wir diese Verbindung als Vermittlung zwischen Gegensätzen, sei es als Weltgeist oder als Prinzip der Einheit zwischen Himmel und Erde oder als Shiva, Shakti und Anu.

Die digitale Welt hingegen tendiert dazu, dieses verbindende „Dritte“ auszuschalten. Polarisierung ist vorprogrammiert, weil digitale Strukturen Vereinfachung erzwingen. Doch wo bleibt der Raum für Differenzierung, für Tiefe und für das Verstehen von Zusammenhängen?

Wenn Kontext verschwindet – die Macht der Erfahrung

Ein weiteres beunruhigendes Phänomen ist die Art und Weise, wie Geschichte erzählt wird. Ereignisse werden isoliert dargestellt, als ob sie aus dem Nichts entstanden seien. Die öffentliche Wahrnehmung wird zunehmend durch die Art und Weise geprägt, wie Informationen gerahmt (geframed) werden.

Ein Beispiel: Die Formulierungen „der völkerrechtswidrige russische Angriffskrieg vom 24. Februar“ oder „die Hamas-Attacke vom 7. Oktober“ tauchen in der Berichterstattung oft wie Mantras auf. Dabei entsteht der Eindruck, als habe die Geschichte genau an diesem Datum begonnen – als gäbe es keine Vorgeschichte, keine tieferen Ursachen, keine Zusammenhänge. Doch nichts geschieht im luftleeren Raum. Kontext wird entweder weggelassen oder in eine bestimmte Richtung gelenkt.

Das hat Konsequenzen: Wenn das Vergangene aus der Wahrnehmung verschwindet, wird unsere Fähigkeit zur Analyse geschwächt. Geschichte wird nicht mehr als lebendiger Prozess verstanden, sondern als eine Serie von losgelösten Ereignissen, die sich nicht hinterfragen lassen.

Wer steuert die Algorithmen?

Wenn digitale Algorithmen bestimmen, welche Inhalte sichtbar sind, welche Narrative sich durchsetzen und welche Kontexte uns präsentiert werden, stellt sich die entscheidende Frage: Wer kontrolliert diese Mechanismen? Wer „füttert“ die künstliche Intelligenz mit Daten und legt fest, welche Perspektiven verstärkt oder unterdrückt werden?

Die Geschichte zeigt, dass jede technologische Revolution auch Fragen der Kontrolle und Deutungshoheit aufwirft. Die Verschlüsselungsmaschine Enigma während des Zweiten Weltkriegs war ein Beispiel für eine damals hochmoderne Technologie, die schließlich entschlüsselt wurde. Doch wer entschlüsselt heute die Algorithmen, die unsere digitale Realität formen?

Die Notwendigkeit eines analogen Bezugs

Technologie lässt sich nicht aufhalten – und das sollte auch nicht das Ziel sein. Die Frage ist vielmehr, wie wir sie als Werkzeug nutzen, anstatt uns von ihr bestimmen zu lassen. Dafür braucht es eine bewusste Entscheidung:

  • Kritisches Denken und Kontextbewusstsein – die Fähigkeit, Informationen nicht isoliert, sondern in größeren Zusammenhängen zu betrachten.
  • Eine Rückbesinnung auf analoge Wahrnehmung – die direkte Erfahrung der Welt mit allen Sinnen, anstatt sich ausschließlich auf digitale Inhalte zu verlassen.
  • Die Stärkung der eigenen Urteilskraft – ein Zusammenspiel von Verstand, Intuition und Körperbewusstsein, das uns davor bewahrt, Informationen unreflektiert zu übernehmen.

In einer Zeit, in der digitale Strukturen immer dominanter werden, braucht es bewusste Strategien, um sich nicht in vorgefertigten Realitäten zu verlieren. Der Schlüssel liegt in der Balance: Technologie als Werkzeug zu nutzen, ohne ihr die Macht über unser Denken und Fühlen zu überlassen.