Prana

Das Wort prāṇa  ist im Sanskrit ein komplexer Begriff, der weit über einfache Übersetzungen wie „Lebenskraft“ oder „Atem“ hinausgeht. Wenn wir es etymologisch und morphologisch analysieren, lässt sich das Wort folgendermaßen zerlegen:

Etymologische Analyse von (prāṇa)

Das Wort prāṇa setzt sich aus zwei morphologischen Komponenten zusammen:

  1. prá – eine Vorsilbe, die oft mit „vor“, „hervor“, „intensiv“ oder „stark“ übersetzt wird. Sie impliziert Bewegung, Ausdehnung, Vorwärtsstreben oder Intensität.
  2. āṇa – abgeleitet von der Wurzel -an, die „atmen“, „leben“, „bewegen“ oder „sich ausbreiten“ bedeutet. Diese Wurzel ist mit dem Urbegriff des Lebensprinzips verknüpft, da sie sowohl Atem als auch Lebendigkeit ausdrückt.

Die Wurzel an gehört zur uralten Wortfamilie, die sich in verschiedenen indoeuropäischen Sprachen wiederfindet, etwa im lateinischen animus („Geist, Seele“) oder anima („Atem, Lebenskraft“).

Bedeutung aus der Sanskrit-Perspektive

Durch die Kombination von prá und āṇa ergibt sich eine Bedeutung wie:

  • „das Vorwärtsströmende“
  • „das sich Bewegende“
  • „das treibende Lebensprinzip“
  • „das erste Prinzip des Lebens“
  • „das, was das Leben antreibt und erhält“

In vedischen und tantrischen Kontexten bedeutet prāṇa nicht einfach „Atem“, sondern eine dynamische, vitale Kraft, die den gesamten Kosmos durchdringt. Es ist der erste Hauch des Lebens (z. B. in der Praśna Upaniṣad (3.3-3.12), wo prāṇa als höchste göttliche Kraft beschrieben wird) und die Basis für alle energetischen Funktionen im Körper. Sie existiert bereits vor den Sinnesorganen und dem Geist. Dort heißt es, dass die Sinne sich stritten, wer von ihnen der wichtigste sei – doch prāṇa zeigte ihnen, dass er der Ursprung aller war, indem er sich aus dem Körper zurückzog und alles andere mit sich nahm. Das bedeutet: Ohne prāṇa gibt es keine Bewegung, keine Funktion – weder körperlich noch geistig.

 

Zusätzliche Bedeutungen in verschiedenen Kontexten

  • In der Samkhya-Philosophie ist prāṇa eine der fünf Vāyus (Energien), die physiologische Prozesse regulieren.
  • In den tantrischen Traditionen ist prāṇa-śakti die vitale Kraft, die durch die Nāḍīs strömt und im Yoga gelenkt wird.
  • In der Rigveda-Dichtung wird prāṇa oft als göttliche, allgegenwärtige Lebenskraft beschrieben, die das Universum bewegt.