Wenn zwei Menschen sich begegnen und in Beziehung treten, ohne ihre eigenen Muster, Ängste und Sehnsüchte zu kennen, wird aus Liebe schnell eine Projektion – eine Suche nach Vervollständigung im Anderen. Doch wahre Liebe beginnt nicht dort. Sie entspringt nicht dem Mangel, sondern der Fülle. Nicht der Bedürftigkeit, sondern der Hingabe.
Je tiefer wir uns selbst durchdringen, desto offener und empfänglicher werden wir für die Liebe eines anderen. Das ist die Voraussetzung. Uns selbst lieben und in Liebe sein – nicht als Idee, sondern als lebendige, vibrierende Erfahrung. Denn solange wir von jemandem erwarten, dass er unsere Leere füllt, unsere Sehnsucht stillt oder unserem Leben Sinn verleiht, bleibt Liebe an Bedingungen geknüpft. Wirklich lieben heißt, in Liebe zu sein – nicht nur mit einem Menschen, sondern mit der Totalität.
Es beginnt mit der Fähigkeit, empfänglich zu sein für die Schönheit der kleinen Dinge des Alltags. Ein Angebot aus einem meiner Lieblingstexte, dem Vijñāna Bhairava Tantra (VBT), führt uns tiefer: Es erinnert uns daran, dass alles von Bewusstsein durchdrungen ist (vgl. VBT 100). Und nicht nur das. Nicht nur ist alles von Bewusstsein durchtränkt – alles sehnt sich nach dir. Alles um dich herum begehrt dich, ruft dich, wartet auf dich. Es beginnt mit dem tiefen Spüren, dass du geliebt wirst – nicht als Ausnahme, sondern als Grundzustand deines Seins (vgl. VBT 105).
So wirst du die Welt immer sinnlicher erfahren. Du kannst Ekstase erleben, wenn der Wind sanft über dein Gesicht streicht und dein Haar berührt. Oder wenn du dem flüsternden Atem der Bäume lauscht, wenn er durch ihre Kronen zieht – und dieses Flüstern in deinem eigenen Körper zu spüren. Eins zu werden mit der Wärme der Sonne auf deiner Haut, mit dem Knistern der Blätter unter deinen Füßen. Mit dem Pulsieren des Lebens, das durch jede Faser deines Seins strömt. Dich zutiefst berühren zu lassen von der Schönheit des Alltäglichen – von Dingen, die andere gerne übersehen.
Ich bin in einer alten, klassisch-tantrischen Tradition zu Hause. Mein Weg ist verwurzelt in der schamanischen Weisheit des Kashmirischen Shivaismus. Hier ist Begehren kein Hindernis, sondern ein Pfad. Hier ist die Welt kein Ort, den es zu überwinden gilt, sondern eine Einladung, tiefer zu fühlen. Tiefer zu sein.
Präsenz. Atem. Gewahrsein. Ins Herz sinken. Sich ausdehnen.
Die Praktiken dieses Weges laden dazu ein, die Räumlichkeit unseres Seins zu erforschen, unser Bewusstsein zu weiten und selbst zu diesem pulsierenden Feld der Liebe zu werden. Eins zu sein mit dem Fluss der Existenz.
Denn jede Zelle deines Körpers trägt das Potenzial der Ekstase in sich. Nicht als flüchtigen Moment, nicht als Höhepunkt – sondern als einen Ozean aus Empfindung, der in dir strömt. In jedem Atemzug. In jedem Pulsieren deines Seins. Immer.
Dein Körper ist ein lebendiges Mysterium, wach und lauschend auf das, was du denkst, fühlst, riechst, schmeckst, hörst, berührst, sagst, tust. Er reagiert unmittelbar auf alles. Wenn du mit Liebe und Achtsamkeit in ihn eintauchst, beginnt er aufzuwachen, sich zu erinnern. Deine Zellen öffnen sich, empfangen, dehnen sich aus in das süße Wissen, dass sie lebendig sind.
Ekstase ist kein Ziel, das es zu erreichen gilt. Sie ist keine bloße Erfahrung, die sich auf einen Moment begrenzt. Sie ist eine Hingabe an das Leben selbst. Eine Einladung, das Heilige in jeder Berührung zu spüren, das Flüstern des Lebens in jeder Bewegung wahrzunehmen.
Und wenn du in dieser Liebe bist, wenn DU Liebe BIST, wenn du die Erfahrung des Eins-seins erfahren hast – dann trägt jede Begegnung mit einem anderen Menschen in sich die Möglichkeit in eine Räumlichkeit des Seins zu tauchen, die jenseits der Sprache liegt und Einssein in der Verbindung zu erfahren.