Hell ist gut und dunkel ist böse? Wirklich?!

Ich lese in den Sozialen Medien, bei meinen Kolleginnen und Kollegen sowie in (meist englischsprachigen) Büchern häufig, dass wir in einer dualen Welt leben: Tag und Nacht, hell und dunkel, usw.. Nun. Das stimmt so nicht. Hier werden zwei grundverschiedene Begriffe wie Polarität und Dualität verwechselt bzw. gleichgestellt. Polarität ist nicht gleich Dualität.

Ich spüre, dass es gerade jetzt total wichtig ist, das zu verstehen, zu erkennen und zu klären. Denn für mein Empfinden ist diese Verwechslung mit ein Grund für unsere derzeitige Spaltung und unser Leid. Dafür, dass wir als Gemeinschaft nicht in unserer Kraft sind.

Die oben genannten Worte beschreiben keine Dualität. Sie beschreiben die Polarität. Und das ist ein riesiger Unterschied. (siehe meinen Beitrag vom 2.6.21)

Polarität ist ein Naturgesetz. Es wirkt hier auf der Erde und in dieser Dimension. Es ist Leben und Lebendigkeit: Tag und Nacht, hell und dunkel, oben und unten, innen und aussen, schnell und langsam usw.

Dualität ist ein mentales Konstrukt. Es ist ein Konzept und entsteht durch Bewertung. Das ist gefärbt durch unsere Werte, unsere Prägung: hell = gut, dunkel = böse.

(Ich merke gerade, dass ich noch ein paar Worte zum Thema „Werte“ mit euch teilen soll. In einem näxten Beitrag dann…).

Hier ist wichtig zu verstehen: hell bzw. dunkel sind erstmal wertfrei. Es ist. Was ich daraus mache, liegt an mir. Hier erinnere ich an das bekannte Beispiel von Paul Watzlawick „Anleitung zum Unglücklich sein“ mit dem Hammer. Mit dem Hammer kann ich ein Bild aufhängen oder mir auf den Finger hauen. Das eine schafft Freude, das andere Leid. Das hat mit dem Hammer erstmal wenig zu tun.

Hell ist hell. Dunkel ist dunkel. Welche Bedeutung und Bewertung ich diesen Aspekten gebe, ist alleine von mir und meinen Werten, Erfahrungen, Prägungen abhängig. Dualität, oder anders gesagt, Spaltung der Einheit in zwei Teile entsteht, wenn wir Polarität bewerten. Dualität entsteht, wenn wir beispielsweise hell und dunkel beginnen zu bewerten in hell = lichtvoll, gut und dunkel = böse, schlecht. Erst wenn ganz natürliche, lebendige Prozesse bewertet werden, schaffen wir Spaltung und trennen uns somit von der Ganzheit ab. Und genau das schwächt uns alle.

Genau das passiert seit tausenden von Jahren!

Das Licht wird häufig assoziiert mit dem Luftigen, Leichten, Geistigen oder gar männlichen Prinzip (Yang, Shiva). Mit dem Guten. Und mit letzterem kommt eine Wertung rein.

Die Dunkelheit hingegen mit etwas Erdigem, Schwerem, Körperlichen oder weiblichen Prinzip (Yin, Shakti). Dieser Aspekt wurde von der Kirche und durchaus auch von gewissen Yogis, als minderwertig und schmutzig bewertet. Als etwas, das es zu überwinden bzw. zu kontrollieren gilt.

Es ist höchste Zeit, diese uralten, überholten Wertvorstellungen nicht mehr zu wiederholen. Durch das Wiederholen nähren wir nämlich diese uralte Spaltung, die uns alle, Frauen wie Männer, schwächt!

Ein Schritt in Richtung Aussöhnung ist, dass wir beginnen Polarität als das zu sehen, was sie ist: ein Grundprinzip des Lebens, das Auf- und Ab der Gezeiten und Stimmungen, der Tanz der Extreme und all der Zwischentöne und immer wieder eines: die Suche nach diesem flüchtigen Moment der Balance, der Harmonie, der Ein-ung, der Integration, der Heilung und des Heil-seins.

Es ist höchste Zeit, dass wir aufhören zu werten. Dunkel ist nicht böse. Wer sagt das? Wieso wiederholen wir das? Dunkel ist der Schossraum, in dem Leben entsteht. Bei uns Menschen in der Gebärmutter der Frauen. Bei Säugetieren in den Bäuchen der Muttertiere. Jeder Samen keimt in der Erde, in der Höhle, in der Dunkelheit: beschützt, versteckt und genährt.

Einige sagen, dass Dunkelheit unHEIMlich sei. In dieser Aussage schwingt, dass die Dunkelheit, die dunkle Höhle kein Heim sei. Nichts, wo wir uns wohl fühlen können. Stimmt das? Ist es nicht so, dass alles Leben in einer dunklen Höhle beginnt? Egal, ob Mensch, Tier oder Pflanze? Geschützt, geborgen, behütet? DAS schwingt in jeder Zelle unseres Seins. Wenn wir ständig gesagt bekommen, dass Dunkelheit was schlechtes sei, werden wir getrennt von unseren Wurzeln. Von dem, was uns genährt und uns das Leben geschenkt hat.

Erst, wenn ein Baum tief in der Erde, in der Dunkelheit, in der Tiefe und Stille wurzelt, kann er stark und kräftig himmelwärts und dem Licht entgegen streben. Es braucht eben beides. Die Dunkelheit, die unsere Heimat ist, in der wir wurzeln. Genau so wie das Licht, unsere Heimat ist, in die wir uns hinein entfalten.

Um in unsere Kraft zu kommen, braucht es eben beides.

Es lohnt sich, darüber nachzusinnen…

…. vieles ist derzeit verdreht. Und es ist m.E. wichtig, alles an den Platz zurück zu stellen, an den es gehört.

Wir wäre es, wenn wir aufhörten, Überholtes (Falsches?) zu nähren und statt dessen beginnen, das Neue und Heilsame zu stärken?

Und dieser Prozess beginnt bei jeder und jedem von uns selbst.