Politisches Geschick…

… besteht aus mehr, als nur Waffen zu liefern

Ich wage mich mal wieder auf thematisches Glatteis mit viel Triggerpotenzial. Denn, und das haben die vergangenen Jahre gezeigt, die Meinungskorridore sind bedrückend eng geworden für das, was sich im Rahmen des Akzeptablen befindet. Das zeigt sich auch in der schmalen Debattenkultur, die seit einigen Jahren vorherrscht. Bringt man andere Argumente oder äussert man andere Meinungen, als die, die gerade in Politik und Medien den Grundtenor bilden, kommt man leicht unter die Räder. Das haben wir bei Corona gesehen. Das sehen wir aktuell beim Krieg vor unserer Haustüre.

Dieses Zitat von Montesquieu, dem Staatstheoretiker und -philosoph der Aufklärung, hat mich beeindruckt. Ich gebe es frei wieder:
„Man darf in Sachen des Krieges nicht die offensichtlichen Ursachen mit den tiefen Ursachen verwechseln. Man darf diejenigen, die den Krieg ausgelöst haben nicht verwechseln mit denen, die ihn unvermeidlich gemacht haben.“

Ich wünschte, wir könnten über diese klugen Zeilen, die mittlerweile über 200 Jahre alt sein dürfen, mit klarem Kopf und ehrlichem Herzen nachsinnen. Und dann eine respektvolle Debatte fordern mit dem Ziel einer Deeskalation und Frieden.

Wisst ihr, Realität ist immer ein Prozess und nie eine Momentaufnahme. Gerne werden uns heute Momentaufnahmen für Realität verkauft und dann noch emotional aufgeladen und wirkungsvoll präsentiert. Doch zu einer Momentaufnahme gibt es immer eine Vorgeschichte! Manchmal ist es notwendig, den Ursprung eines Konflikts zu analysieren, um zu verstehen, wie er entstanden ist. Damit wir die Gegenwart einigermassen begreifen können kann es dienlich sein, die Geschichte zu kennen. Denn nur aus diesem Wissen heraus können wir auch Konfliktlösungsstrategien entwickeln.

In meinem Studium und den verschiedenen Ausbildungen habe ich gelernt, eine Sachlage aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Mögliche Argumente für alle Seiten zu haben, mich in jede Lage zu versetzen. Um dann, mit diesem weiten Blick, den kleinsten gemeinsamen Nenner und mögliche Lösungen zu finden.

Und um es an dieser Stelle ganz klipp und klar zu sagen: etwas oder jemanden zu verstehen bedeutet NICHT, dafür Verständnis zu haben! Ich kann, wenn ich mich in jemanden hinein fühle, seine Beweggründe nachvollziehen (verstehen) und gleichzeitig kein Verständnis haben für dessen Handlungsweise, sie sogar zutiefst verabscheuen. Ich glaube, wer wirklich aus der Eskalationsspirale aussteigen und Frieden will, kommt um diesen Prozess nicht herum.

„Man muss die Argumente ja nicht alle teilen, aber sie von vornherein als Propaganda oder ähnliches zu diskreditieren schadet der Demokratie. Eine Demokratie muss aushalten, dass gestritten wird. Das geht auch respektvoll. Doch sobald sich eine Gesellschaft radikalisiert, ist es vorbei mit der Streitkultur. Die Ideologisierung und v.a. die moralische Aufladung von Debatten läuft auf eine Polarisierung hinaus, was zwangsläufig zu einer Radikalisierung führt. Wer sich moralisch auf der richtigen Seite wähnt, der nimmt für sich in Anspruch, seinen Standpunkt mit allen Mitteln durchzusetzen, denn das tut er ja für die gute Sache. Wer das nicht einsieht, steht automatisch im Abseits. Das bedeutet: andersdenkende sind kein Bestandteil unserer grundsätzlich offenen Gesellschaft mehr, sondern Störfaktoren, die man nicht mehr zu Wort kommen lässt, oder Feinde, die es mit aller Konsequenz auszugrenzen gilt.“ (Prof. Dr. G. Krone-Schmalz)

Im Krieg geht es immer um Interessen. Oft werden diesen Interessen moralische Deckmäntelchen verpasst. Das macht sie dann für die Masse annehmbarer.
Doch die Dinge sind selten so einfach, so schwarz-weiss, wie sie gerne dargestellt werden. Das eindimensionale Erklärungsmuster, so gerne und so oft es uns auch präsentiert wird, scheint mir wenig hilfreich zu sein für potentielle Lösungen.

Politisches Geschickt besteht aus weit mehr, als nur aus Waffenlieferungen. Was es jetzt braucht ist, dass alles an Herz und Hirn eingesetzt wird, um aus der Eskalationsspirale auszusteigen. Es braucht eine zukunftsorientierte Friedenspolitik. Waffen- und Panzerlieferungen bewirken genau das Gegenteil.

Seit fast einem Jahr beschäftigt uns der Krieg in der Ukraine. Es ist höchste Zeit sich Gedanken zu machen über eine Deeskalation. Waffen- und Panzerlieferungen tragen sicher nicht dazu bei. Und auch nicht zu Frieden.