Jeder hat das Recht, zu sagen, was er denkt und glaubt. Und jeder andere hat das Recht, sich „verletzt“ (oder amüsiert oder inspiriert) zu fühlen. Und das war’s dann auch schon. Gegen Beleidigungen kann man vorgehen – hier gibt es Persönlichkeitsrechte. Wer aber zum Beispiel Kunst entfernt oder Comedy verbietet, weil jemand beleidigt sein könnte bzw. sich „unwohl“ fühlt, sollte eigentlich wissen, in welcher totalitären Tradition er damit steht.
Der woke Wahn ist um eine weitere bizarre Anekdote reicher: Die Universität Flensburg hielt es für nötig, die im Foyer ausgestellte Skulptur „Primavera“ des Künstlers Fritz During zu entfernen. Ihr offenbar „gebärfreudiges Becken“ störe einen Teil des „hohen Frauenanteils der Studierenden sowie Lehrkräften“ und sie „fühlen sich beim Anblick unwohl“, so die Gleichstellungsbeauftragte Martina Spirgatis. Die Statue stehe für ein „überholtes Bild der Weilblichkeit“ und diese Ästhetik wäre an einer Universität, die „Frauen ausdrücklich als intellektuelle Persönlichkeiten adressiert“, „nicht angemessen und habe nichts mit Wissenschaft zu tun“, so die an der Europa-Universität in Flensburg beschäftigte Gender-Studies-Vertreterin.
Was ich noch eher nachvollziehen kann ist, dass das Problem resultiert aus der Kombination von Statue und Ort. Die Kritik: In einer Universität – einem Ort, an dem geforscht wird – stünde die Gestalt einer Frau, die auf ihre Körperlichkeit reduziert werde. Es könnte dort ja auch eine denkende Frau stehen… Der Vorwurf der Frauen lautet: „Wir sind Frauen mit Geist und Gehirn. Wir wollen keine Frauenfigur, die auf ihre Körperlichkeit reduziert wird.“ Ich sehe das nicht so, weil ich es im Kontext der damaligen Zeit sehe. Seine Kunst verstehe ich als figürlichen Abstraktionsprozess der damaligen Zeit. Seine Plastiken zeichnen sich durch Schlichtheit, Vereinfachung und Befreiung von Momentanem aus. Ich sehe kein Figur-Ideal darin.
„Primavera“, so heisst die Plastik, ist italienisch und heisst übersetzt „Frühling“. Die Frühlingsgöttin Primavera ist die Schutzpatronin der Natur.
Ersetzt wurde Statue durch ein geschlechtsloses Abstraktum, einem Regenbogen-Fragezeichen. Hauptsache, die Frau ist weg. Das ist Cancel Culture in Reinform. Gegenwind gibt es wenig. Und wenn es denn welchen gibt, dann wird derjenige, der Kritik übt, unweigerlich in die rechte Ecke gestellt und diskreditiert.
Die Skulptur der «Prima-Vera» = das erste-wahr, frei ‚die erste Wahrheit‘ , ist genau in diesem Kontext zu verstehen. Die «Prima Vera»» gebiert die Kosmologie mit ihren Gesetzmässigkeiten, den Rhythmen und Zyklen. Die Skulptur der «Prima Vera» erinnert in diesem Sinne an diese Bedeutung der grossen Zusammenhänge als stetigen Rückbezug «zum Grossen Ganzen» als Gesamtwerk.
Da passt das Regenbogen-Fragezeichen perfekt als Antwort auf die Entfernung dieser «Ur-Wahrheit» welche linear die Entfremdung von diesem Wissen darstellt und der eigenen natürlichen Weiblichkeit, die jeder in sich trägt – kosmologisch – genetisch.
Dieses letzte Vorkommnis ist das traurige Zeugnis einer fatalen und gefährlichen Verknüpfung von extremer Bildungsferne und einer sich rasant ausbreitenden, bedrohlich faschistoiden und totalitär geprägten Ideologie, die sich wie Staub über alles legt. Das Ergebnis ist die Monotonie des Regenbogens.